Alternative Säurequellen in Cocktails
Zwischen Geschmack und Gesetzen
In Zusammenartbeit mit der DBU
Willkommen in der aufregenden Welt der Cocktails, wo Säure nicht nur den Geschmack, sondern auch die Gespräche beherrscht! Während Zitronen- und Limettensaft die Barlandschaft seit Ewigkeiten prägen, brodelt es nun in der Community der Bartender*innen.
Von Alexandra „Barstalker“ Bühler.
Auf der Bildungsplattform der Deutschen Barkeeper Union e.V. wird derzeit über alternative Säurequellen und deren rechtliche Rahmenbedingungen diskutiert. Kennzeichnungspflicht, gesetzliche Vorschriften - kein Thema wird ausgelassen. Doch nicht nur das: Inmitten dieser Diskussion um Säurealternativen kommt auch die Verantwortung für ökologisches Handeln zur Sprache. Die Beschaffung von frischen Zitrusfrüchten aus aller Welt wirft Fragen auf. Kann man ökologisch arbeiten, wenn die Produkte eingeflogen werden müssen? Zusammen mit einigen namhaften Expert*innen aus der Branche werfen wir einen Blick auf die vielfältigen Alternativen zu Zitrusfrüchten, die eine Säureexplosion in Cocktails garantieren - ganz ohne Kilometerrekorde über Kontinente hinweg. Begleitet uns auf dieser spannenden Reise!
Die Vielfalt der Säuren: Eine Erkundung jenseits von Zitrone und Limette
Traditionelle Säurequellen wie Zitronen- und Limettensaft dominieren seit jeher die Bar. Doch in den letzten Jahren ist eine lebhafte Diskussion über alternative Säurequellen und ihre rechtlichen Regulierungen entstanden. Schon immer gab es wunderbare, schmackhafte Alternativen zu Zitrusfrüchten, mit denen man Säure in einen Cocktail bringen kann. Da gibt es zum Beispiel den Verjus. Der «Grüne Saft» wird aus unreifen Trauben gewonnen und seit mehreren tausend Jahren in der Küche als Würzmittel und in der Medizin als Verdauungshilfsmittel verwendet. In einer Bar können alternative Säurequellen beispielsweise Essig, saure Fruchtsäfte wie Grapefruit oder Cranberry-Muttersaft, der Saft eines Granny Smith-Apfels und sogar fermentierte Getränke wie Kombucha sein.
Die Rolle von Säuren in Cocktails wird oft unterschätzt, obwohl sie seit Beginn der Mixgetränke eine grundlegende Bedeutung haben. Säuren bringen eine klare, würzige Note in Cocktails, die dazu beitragen, andere Aromen auszugleichen und dem Getränk Struktur, Tiefe und Erfrischung verleihen. Sie agieren als Gegenspieler zur Süße, verstärken aromatische Verbindungen und beeinflussen das Mundgefühl des Getränks. Durch die geschickte Verwendung von Säuren entfaltet ein Cocktail sein volles Geschmackspotenzial und wird zu einem unvergesslichen Genusserlebnis, das weit über die bloße Zusammenstellung seiner Zutaten hinausgeht.
Innovative Ansätze und Pülverchen: Zeitgeist mit einer Prise Nachhaltigkeit
Einige Barkeeper nutzen als Säurequelle Lösungen, eine Mischung aus Wasser und Säurepulvern wie Ascorbinsäure, Weinsäure oder Phosphorsäure, um eine präzise Säure zu erzielen, ohne dabei weitere Aromen hinzuzufügen. Während Zitronensäure die geläufigste Wahl ist, kann auch mit Apfelsäure, Weinsäure oder sogar Phosphor- oder Milchsäure experimentiert werden. Um das Geschmacksprofil von weiteren Früchten nachzubilden, setzen Bartender*innen auf säureregulierte Säfte, bei denen sie den pH-Wert von Fruchtsäften manipulieren. Des Weiteren nutzen sie Techniken wie das Zentrifugieren, um klaren Zitrussaft zu extrahieren, der die Säure der Frucht ohne ihre Trübung oder Farbe bietet.
Ein herausragendes Beispiel für Innovation ist der sogenannte "Super Juice" - eine moderne Saftgewinnungstechnik, die es ermöglicht, bis zu achtmal mehr Saft aus einer Zitrusfrucht zu extrahieren. Diese Technik steigert nicht nur die Saftausbeute, sondern verleiht dem gewonnenen Saft auch eine längere Haltbarkeit und intensiviert den Zitrusgeschmack im Vergleich zu kristalliner Säure. Dadurch wird eine konstante und vergleichbare Qualität gewährleistet. Die Methode wurde von Nickle Morris, einem erfahrenen Barkeeper und Besitzer der „Expo Cocktail Bar“ in Louisville, Kentucky, entwickelt und von namhaften Kolleg*innen der Branche weiterentwickelt und verbreitet. Sie bietet eine geschmacklich überlegene, kostengünstigere und nachhaltigere Alternative zur Verwendung von frischem Zitronensaft. Im Gegensatz zu frischem Saft leidet “Super Juice” nicht unter oxidativen Problemen, ist praktisch lagerstabil und bietet einen geschmacklichen Mehrwert.
Die Herstellung erfolgt mittels einer einfachen mathematischen Formel, die Zitrusschalen, Saft und Zitronensäure kombiniert. Sie beginnt damit, dass Zitrusschalen mit Säurepulvern (z. B. Limettenschalen mit einer Mischung aus Zitronen- und Apfelsäure) kombiniert werden, um die ätherischen Öle aus den Schalen zu extrahieren und den Säuregehalt nachzuahmen, der normalerweise im rohen Zitrusfruchtfleisch enthalten ist. Aus dieser Aufschlämmung entsteht OleoCitrat, dem Morris Wasser hinzufügt, bevor er die Flüssigkeit mischt und fein abseiht. Der letzte Schritt, bevor die Mischung zu "Super Juice" wird, ist die Zugabe des frischen Saftes der geschälten Limetten, wodurch jegliche Verschwendung vermieden wird. Eine ähnliche Herangehensweise verfolgt übrigens auch Remy Savage, Besitzer der Londoner Bar „A Bar With Shapes For A Name“. Er verwendet einen Rotationsverdampfer, um die aromatischen Elemente der Zitrusfrüchte einzufangen. Anschließend fügt er eine Mischung aus Säurepulvern, Fructose und Salz hinzu, um den Geschmack und die Textur der echten Limette nachzuahmen.
Unter den vielen Säuren, die in der Mixologie Verwendung finden, sind einige besonders hervorzuheben. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
Zitronensäure:
Natürlich in Zitrusfrüchten wie Zitronen, Limetten und Orangen vorhanden, verleiht Zitronensäure Cocktails einen klaren, säuerlichen Geschmack und ist ein Grundbestandteil zahlreicher klassischer Drinks.
Apfelsäure (Malic Acid):
Gewonnen aus Äpfeln und bestimmten Trauben, bietet Apfelsäure im Vergleich zu Zitronensäure einen weichen, sanften Säuregehalt.
Weinsäure:
Vor allem in Weintrauben zu finden, verleiht Weinsäure Cocktails eine besondere Schärfe, die häufig in weinhaltigen Getränken Verwendung findet.
Phosphorsäure:
Phosphorsäure, die in bestimmten Limonaden vorkommt, bietet eine starke, trockene Säure.
Ascorbinsäure (Vitamin C):
Hat kaum Geschmack oder erkennbare Säure und wird häufig als Antioxidant verwendet, um das Braunwerden von Säften und Früchten zu verhindern.
Milchsäure:
Als Nebenprodukt der Gärung bekannt, verleiht Milchsäure Cocktails einen würzigen Geschmack, der an Essiggurken, Käse und fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut erinnert.
Essigsäure:
Hauptsächlich in Essig enthalten, wird Essigsäure oft inShrubs verwendet, aber gelegentlich auch als alternatives Säuremittel in Cocktails eingesetzt.
Bernsteinsäure:
Bernsteinsäure, ein Stoffwechsel-Zwischenprodukt, ist natürlich in vielen Pflanzenstoffen und -säften wie Rhabarber, Tomaten oder Pilzen enthalten. Ihr Geschmack ist mild, leicht salzig und zartbitter.
Champagner-Acid:
Eine von Dave Arnold kreierte Säuremischung aus Weinsäure und Milchsäure, die eine klare, zitronenähnliche Säure bietet und sich perfekt für konsistente Cocktailzubereitungen eignet.
Auf dünnem Eis
Herausforderungen beim Verwendung von Säurepulvern in der Praxis:
Beim Mischen von Pulvern, insbesondere von Säurepulvern, sollten Bartender*innen die chemischen Eigenschaften und potenziellen Risiken berücksichtigen. Beim Umgang mit Säurepulvern ist Vorsicht geboten. Einige Säuren können ätzend sein und Hautreizungen oder Verätzungen verursachen. Indem Bartender*innen folgende Aspekte berücksichtigen und bewährte Verfahren beim Anmischen von Säurepulvern einhalten, können sie sicherstellen, dass die Verwendung alternativer Säurequellen in Cocktails nicht nur geschmacklich überzeugt, sondern auch sicher und qualitativ hochwertig ist.
Säurepulver-Checkliste
Sicherheitsvorkehrungen treffen:
Beim Umgang mit Säurepulvern ist Vorsicht geboten. Einige Säuren können ätzend sein und Hautreizungen oder Verätzungen verursachen. Trage beim Umgang mit Säurepulvern immer Schutzausrüstung wie Handschuhe und eine Schutzbrille und vermeide den Kontakt mit Haut und Augen.Zudem ist ein gut durchlüfteter Raum von großer Bedeutung, um mögliche Dämpfe zu reduzieren. Außerdem ist es ratsam, eine säurebeständige Unterlage zu verwenden, um potenzielle Schäden an Oberflächen zu verhindern.
Präzise Dosierung:
Achte darauf, die Säurepulver präzise und gemäß den Empfehlungen zu dosieren, um unerwünschte Geschmacksvariationen oder gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Es ist ratsam, eine Feinwaage zu verwenden und die empfohlenen Mengen sorgfältig abzumessen.
Mischverhältnisse beachten:
Das richtige Mischverhältniss von Säurepulvern zu Wasser sollte eingehalten werden, um eine gleichmäßige Verteilung und Lösung der Säure zu gewährleisten. Eine falsche Mischung kann zu unerwünschten Geschmacksvariationen oder einer unzureichenden Säurestärke führen.
Kenntnis chemischer Reaktionen:
Verstehe die chemischen Eigenschaften der verwendeten Säuren und berücksichtige mögliche Reaktionen mit anderen Substanzen, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden.
Hygiene bewahren:
Stelle sicher, dass alle Arbeitsgeräte und Behälter gründlich gereinigt und desinfiziert werden, um Verunreinigungen zu vermeiden und die Qualität des Endprodukts zu gewährleisten.
Klare Kennzeichnung:
Sorge dafür, dass sämtliche Säurepulver klar und deutlich gekennzeichnet sind, um Verwechslungen zu vermeiden und die Sicherheit zu gewährleisten. Es ist unabdingbar, dass stets erkennbar ist, welche Substanz in welcher Menge verwendet wurde. Vermeide es strikt, Säuren in alten Gebinden wie beispielsweise alten Pfandflaschen zu lagern. Stattdessen sollten Reinsäuren deutlich gekennzeichnet und separat gelagert werden. Dies gilt ebenso für Säurelösungen, bei denen der Name der Lösung, zum Beispiel "Fake Lime Juice", klar angegeben sein sollte.
Informiere dein Team:
Stelle sicher, dass dein Team über die Verwendung alternativer Säurequellen informiert ist und die entsprechenden Verfahren und Sicherheitsmaßnahmen kennt - auch um eventuelle Nachfragen von Gästen beantworten oder um auf Unverträglichkeiten reagieren zu können.
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften:
Beachte alle geltenden Lebensmittel- und Getränkevorschriften sowie Kennzeichnungspflichten, um rechtliche Probleme zu vermeiden.
Vorsicht: Rechtliche Fallstricke und Kennzeichnungspflichten
bei der Verwendung von Säurealternativen in Cocktails:
Bei der Verwendung von Säurealternativen in Cocktails ist es wichtig, die gesetzlichen Bestimmungen im Blick zu behalten. In Deutschland unterliegen Cocktails, die eine Alternative für Säure verwenden, klaren Kennzeichnungspflichten gemäß den Lebensmittel- und Getränkevorschriften. Eine genaue Kenntnis der geltenden Vorschriften ist daher entscheidend, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Die rechtlichen Regulierungen variieren zwar je nach Land und Region, aber im Allgemeinen müssen Aspekte wie Lebensmittelsicherheit, Etikettierung und Alkoholverkauf beachtet werden. Um sicherzustellen, dass alle Säurequellen den rechtlichen Anforderungen entsprechen, ist es ratsam, sich über lokale Gesetze und Vorschriften zu informieren. Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel keine Rechtsberatung ersetzt. Es empfiehlt sich, bei Unsicherheiten professionelle Beratung einzuholen.
Im Fall von Cocktails, die alternative Säurequellen verwenden, müssen Barbetreiber*innen sicherstellen, dass diese Quellen auf der Getränkekarte oder in der Speisekarte deutlich gekennzeichnet sind. Dies kann durch die Angabe der spezifischen Säurequelle erfolgen, z.B. "Zitronensäure", "Apfelsäure" oder "Weinsäure", oder durch eine allgemeinere Kennzeichnung wie "Säurealternative" oder "Säurelösung". Darüber hinaus müssen die Kennzeichnungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, was bedeutet, dass sie klar lesbar und leicht verständlich sein müssen.
In Deutschland wird die Kennzeichnung von Lebensmitteln und Getränken durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie die entsprechende Durchführungsverordnung, die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV), geregelt. Diese Gesetze und Verordnungen enthalten Bestimmungen zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, einschließlich Getränken wie Cocktails. Die spezifischen Anforderungen an die Kennzeichnung von Säurequellen in Cocktails können sich aus verschiedenen Bestimmungen ableiten, darunter:
LMKV (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung):
Diese Verordnung enthält detaillierte Anforderungen an die Kennzeichnung von Lebensmitteln, einschließlich der erforderlichen Angaben zu den Zutaten. Unter Abschnitt 6 "Besondere Kennzeichnungsvorschriften für Getränke" sowie den allgemeinen Bestimmungen zur Zutatenliste in Abschnitt 3 finden sich relevante Vorschriften.
Allergenkennzeichnungsverordnung:
In Deutschland gibt es spezielle Bestimmungen zur Kennzeichnung von Allergenen in Lebensmitteln, die in einer separaten Verordnung, der Allergenkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1169/2011, festgelegt sind. Die Verordnung besagt, dass potenzielle Allergene, einschließlich Säuren, in der Zutatenliste deutlich hervorgehoben werden müssen.
Lebensmittelhygienerecht:
Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) enthält Bestimmungen zur Lebensmittelhygiene und -sicherheit, die sich auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln auswirken können.
Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV):
Sie regelt die Zulassung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln und deren Kennzeichnung. Zusatzstoffe müssen klar und deutlich auf der Verpackung von Lebensmitteln deklariert werden. Die genauen Anforderungen an die Kennzeichnung von Säurequellen in Cocktails gemäß der ZZulV können je nach Zusatzstoff variieren und sollten im Einzelfall überprüft werden. Insbesondere gemäß § 9 der ZZulV müssen Zusatzstoffe in Lebensmitteln eindeutig gekennzeichnet werden. Auf der Verpackung oder dem Etikett des Lebensmittels muss der Name oder die ENummer des Zusatzstoffes angegeben werden. Dies gilt auch für Säuren, die als Zusatzstoffe verwendet werden. Die Kennzeichnung muss klar, gut lesbar und leicht verständlich sein, um Verbraucher*innen eine informierte Wahl zu ermöglichen.
Bitte beachtet, dass diese Liste nicht vollständig ist und es noch weitere E-Nummern für Säuremittel geben kann. Die genauen Bestimmungen und Anforderungen können je nach Kontext und Art des Lebensmittels variieren. Daher ist es wichtig, einschlägige Gesetze und Verordnungen sowie gegebenenfalls spezifische Leitlinien der Lebensmittelüberwachungsbehörden zu konsultieren, um die genauen Anforderungen für die Kennzeichnung von Säurequellen in Cocktails zu verstehen und einzuhalten.
Erfahrungen aus der Praxis
Vor- und Nachteile alternativer Säurequellen:
Christian Hürtgen ist Betreiber der Pinta Cocktailbar in Dresden und ausgebildeter Hotelfachmann mit einem Studium in Lebensmittel-, Ernährungs und Hauswirtschaftswissenschaften sowie Labor- und Prozesstechnik. Er hat ein tiefgreifendes Verständnis für die chemischen Prozesse in der Bar und moderne Techniken der Cocktailzubereitung. Den „Super Juice“ verwendet Christian in seiner Bar bereits seit Jahren. Er hat uns von seinen Erfahrungen berichtet.
In der Pinta Cocktailbar wird die innovative Methode des „Super Juice“ (https://www.kevinkos.com/cocktail-calculators) kontinuierlich verbessert, um so nah wie möglich an das Ausgangsprodukt eines frischen Zitrussaftes heranzukommen. „Super Juice“, eine geschickte Kombination aus Zitruszesten und verschiedenen Säurepulvern, ist längst zum Star der Bar avanciert. Durch raffinierte Verfahren werden die ätherischen Öle der Schale extrahiert und zu einem qualitativ hochwertigen Produkt weiterverarbeitet (mehr Infos siehe oben im Text). Die Verwendung von „Super Juice“ hat sich in der Pinta Cocktailbar bereits durch ökologische und ökonomische Vorteile bewährt. Durch kontinuierliche Anpassungen zur Verbesserung der Produktqualität kann er in Christian Hürtgens Augen sogar zu einem Alleinstellungsmerkmal einer Bar werden. Und Christian hat noch ein Ass im Ärmel: Die Nutzung eines Ultraschallbeckens holt noch mehr aus den Zitruszesten heraus.
Was spricht also gegen Säurealternativen? Natürlich gibt es bei der Verwendung von Säurealternativen auch einiges zu beachten. Der Aufwand für die Vorbereitung ist nicht zu unterschätzen. Wo früher die Zeit in das Pressen von Zitrusfrüchten investiert wurde, umfasst die Vorbereitung von Säurealternativen Aufgaben wie das Abzesten der Produkte und präzises Abwiegen und Mischen. Doch dieser Aufwand lohnt sich, denn er ermöglicht eine größere Produktionsmenge und reduziert Lagerkosten. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Mixprozess vereinfacht wird. Statt eine Vielzahl von Flaschen zu verwenden, kann nun auf wenige Flaschen mit weniger Handgriffen zugegriffen werden, ähnlich wie bei vorbereiteten Pre-Batches.
Christians Tipp:
Wenn du große Mengen Zitrussaft auf einmal auspresst und überschüssigen Saft hast, kannst du ihn einmal einfrieren, ohne dass die Struktur beeinträchtigt wird. Aber: Nicht wiederholen. Beim zweiten Einfrieren wird die Struktur vollständig zerstört.
Generell hat die Pinta Cocktailbar frisch gepresste Säfte auf Super Juice, Limetten- und Zitronenwasser, Fruchtmischungen und Weißwein umgestellt. Weißwein kann als alternative Säurequelle in Cocktails dienen, insbesondere wenn ein fruchtigerer und komplexerer Geschmack angestrebt wird. Je nach Sorte und Stil des Weins fügt Weißwein dem Cocktail eine subtile Säure sowie verschiedene Aromen und Nuancen hinzu. Diese Option bietet eine interessante Alternative zu Zitrusfrüchten und eignet sich besonders gut für Wein-basierte Cocktails oder Rezepte, die eine mildere Säure erfordern. Einige Bartender*innen verwenden auch eine Mischung aus Weißwein und Traubensaft. Sie bietet eine natürliche Süße und eine ausgewogene Säure, die den Cocktail geschmacklich bereichern kann. Es ist wichtig, die Sorte und Qualität des Weins sowie den Geschmack und die Konsistenz des Traubensafts zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass sie gut miteinander harmonieren und den gewünschten Geschmack im Cocktail erzeugen.
Auch Sherbets findet man in der Pinta Bar in Drinks. Die Geschichte von Sherbets als Säure reicht weit zurück und ist eng mit der Entwicklung von Mixgetränken verbunden. Ursprünglich wurde Sherbet, oder auch Sharbat, als ein erfrischendes Getränk aus Fruchtsaft, Wasser und Zucker in der persischen und arabischen Küche konsumiert. Diese Mischung wurde oft als Basis für alkoholische und nichtalkoholische Getränke verwendet. Im Laufe der Zeit fand Sherbet Einzug in die Welt der Cocktails und eignet sich insbesondere in tropischen und exotischen Drinks aufgrund seines fruchtigen Geschmacks und seiner ausgleichenden Süße als Säurekomponente, um Frische und Geschmack zu verleihen. Die Verwendung von Sherbet als Säure bietet die Möglichkeit, komplexe Aromen und Texturen in Kreationen zu integrieren.
Die Menge macht das Gift
Ein Blick auf die Verwendung von Säurepulvern in Cocktails:
Säurezusätze sind ein gängiges Element in vielen Lebensmitteln, von Getränken bis hin zu verarbeiteten Lebensmitteln. Eine vielversprechende Entwicklung in diesem Bereich sind pulverförmige Alternativen, die eine Vielzahl von Anwendungen in der Lebensmittelherstellung ermöglichen. Diese Alternativen bieten nicht nur eine ähnliche Funktionalität wie herkömmliche Säurezusätze, sondern bringen auch weitere Vorteile mit sich. Durch ihre pulverförmige Form sind sie einfach zu handhaben und zu dosieren, was die Produktionseffizienz steigert und gleichzeitig Lager- und Transportkosten reduziert. Darüber hinaus können sie eine breitere Palette von Anwendungen abdecken, da sie vielseitig einsetzbar sind und eine präzise Steuerung des Säuregehalts ermöglichen. Weiterhin bieten pulverförmige Alternativen auch ernährungsphysiologische Vorteile. Viele dieser Alternativen werden aus natürlichen Quellen gewonnen und sind frei von künstlichen Zusätzen, was sie zu einer attraktiven Wahl für gesundheitsbewusste Verbraucher*innen macht.
Auch im Umgang mit Säurepulvern gibt es einiges zu beachten, wie Christian Hürtgen anhand von Milchsäure verdeutlicht. Milchsäure kann, je nach Dosierung, unterschiedliche Funktionen erfüllen. In niedrigen Konzentrationen wird sie oft als Säureregulator und Geschmacksverstärker eingesetzt. Bei höheren Konzentrationen kann sie sogar als Konservierungsmittel dienen, indem sie das Wachstum von Mikroorganismen hemmt und somit die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängert. In diesem Fall muss sie sie als Konservierungsmittel gekennzeichnet werden. Es ist entscheidend, die Menge von verwandter Milchsäure zu berücksichtigen, da übermäßiger Verzehr gesundheitsschädlich sein kann. Die genaue Menge, die als gesundheitsgefährdend betrachtet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich individueller Empfindlichkeiten und Gesundheitszuständen. Um dies auf einer Getränkekarte anzugeben, könnte man beispielsweise folgendes hinzufügen: "Bitte beachten Sie: Unsere Getränke enthalten Milchsäure (E270) als Säureregulator. Der Verzehr in Maßen ist unbedenklich. Personen mit spezifischen Gesundheitsbedenken sollten jedoch vor dem Verzehr Rücksprache mit ihrem*ihrer Ärzt*in halten."
Wie kennzeichnet man die Verwendung dieser Alternativen?
Christian Hürtgen hat auf seiner Cocktailkarte die verwendeten Säurealternativen in den Rezepten aufgeführt. Darüber hinaus bietet die Cocktailkarte auf den letzten Seiten eine detaillierte Erklärung darüber, welche Alternativen verwendet werden und wie sie hergestellt werden. Das Barteam steht den Gästen jederzeit transparent zur Verfügung und gibt gerne Auskunft über die verwendeten Zutaten. Generell gilt, dass Säuerungsmittel und auch einige Konservierungsmittel nicht auf Getränkekarten gekennzeichnet werden müssen. Das Infoblatt der IHK zur Kennzeichnung von Lebensmittel im Gastgewerbe gibt einen Überblick. Inmitten der Diskussion über die Umstellung auf Säurealternativen bleibt die Frage, ob es Drinks gibt, bei denen die Verwendung von frischer Zitrusfrucht unverzichtbar ist. Christian bringt dazu ein Beispiel: Die unvergleichliche Frische eines Daiquiris sei kaum zu ersetzen.
Unter den zahlreichen Herangehensweisen in der Barwelt gibt es verschiedene Wege, wie mit dem Thema Säurealternativen umgegangen wird. Diese hängen oft von den Vorlieben des Barteams und den örtlichen Gegebenheiten ab. Neben Christian Hürtgen haben wir auch Dustin Hanselka, den Barchef der Curtain Call Bar in München, zum Thema befragt. Als Heimat des Illusionist Gins bietet seine Bar eine einzigartige Perspektive auf dieses Thema.
In der Curtain Call Bar liegt der Fokus nicht nur auf der Herstellung von Säurealternativen, sondern vielmehr auf der Verwertung dessen, was bei der Produktion des Gins in der Destille übrig bleibt. Dabei werden die Zesten der Zitrusfrüchte in der Destille verarbeitet, während die übrig gebliebenen Früchte in der Bar weiterverwendet bzw. weiterverarbeitet werden. Diese Herangehensweise ermöglicht es der Bar, reichlich Saft zu haben, der nachhaltig verarbeitet und haltbar gemacht werden muss. Dustin setzt neben frischem Saft auch auf das Einkochen desselben, wobei er sein Fachwissen und die Technologien aus seinem Studium der Brau- und Getränketechnologie einbringt. Die richtige Temperatur während des Einkochens, im Bereich von 73 bis 75 Grad Celsius, ist entscheidend und wird präzise mit einem Sensor und einem Infrarot-Thermometer überwacht. Sowohl Heißabfüllungen in sterile Behälter als auch das Herunterkühlen mit einem Plattenwärmetauscher sind gängige Verfahren, um die Haltbarkeit wesentlich zu verbessern, je nach Verwendungszweck des Saftes. Die Nutzung eines automatischen Malzrohrsystems erleichtert die Arbeit erheblich und gewährleistet eine gleichbleibende Qualität der Säfte. Geschmacklich ändert sich die Aromatik ein wenig und neigt eher in eine leicht saure Richtung, was in den Drinks jedoch gut ausbalanciert werden kann.
Darüber hinaus werden alle Zusatzstoffe und Allergene auf der Getränkekarte transparent deklariert, um Gäste über die enthaltenen Zutaten zu informieren. Auch Antioxidationsmittel wie Ascorbinsäure werden verwendet, um die Haltbarkeit der Cocktails zu verlängern und Oxidationen vorzubeugen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Herstellung von Essigsäure aus biologischen Restprodukten, die einen nachhaltigen Ansatz zur Reduzierung von Abfällen darstellt. Durch Fermentation und Umwandlung von Alkohol in Essigsäure mit Hilfe von Essigsäurebakterien können Reste von Obst, Gemüse, Wein oder Bier wiederverwendet werden. Dieser Prozess ermöglicht es, Abfälle in neue Produkte umzuwandeln und umweltfreundlich zu handeln. Gemäß den Vorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung und -information müssen alle Zutaten und Zusatzstoffe, einschließlich Essigsäure, auf der Cocktailkarte angegeben werden. Dies dient der Transparenz gegenüber den Gästen und ermöglicht es ihnen, informierte Entscheidungen zu treffen, insbesondere wenn sie spezifische Allergien oder Ernährungsvorlieben haben. Daher ist es wichtig, Essigsäure und andere Zusatzstoffe deutlich auf der Cocktailkarte zu kennzeichnen. Es ist zu beachten, dass Essigsäure nicht als Zusatzstoff im eigentlichen Sinne verwendet wird, sondern als ein natürliches Produkt der Fermentation. In der Bar wird üblicherweise keine Essigsäure als solche zugegeben, sondern sie entsteht als Nebenprodukt des Fermentationsprozesses.
Aber auch abseits der Herstellung von Säurealternativen gibt es wichtige Aspekte zu beachten. Eric Bergmann, renommierter Cocktail-Experte, betont die Bedeutung von persönlichen Präferenzen und experimentellem Ansatz. Für Eric Bergmann ist es die individuelle Entscheidung jedes*jeder Barbetreibers*Barbetreiberin, welche Art von Zitrusprodukten in der Bar verwendet werden sollen. Seiner Meinung nach bietet ein Blind Tasting eine ideale Möglichkeit, um unvoreingenommen herauszufinden, welche Variante am besten zum Konzept der Bar passt. Persönlich bevorzugt er kristalline Säuren für vorgebatchte Drinks aufgrund ihrer Haltbarkeit und ihres gleichbleibenden Geschmacks. Ein zusätzlicher Vorteil ist ein visuell klarer Drink. Saure Säfte wie Cranberry-Muttersaft oder Essig schätzt Eric sehr, aber er greift auch gerne auf frisch gepressten Saft zurück, wenn möglich. Dabei betont er die Wichtigkeit einer sorgfältigen Zubereitung, um eine optimale Qualität sicherzustellen. Neben sauren Säften und Essigen oder auch Verjus bevorzugt er bei klassischen Drinks gepresste Zitrussäfte. Die Haltbarkeit erzielt er mit einer dreifachen Filterung der Pulpe, der richtigen Art des Pressens, um Bitterstoffe zu vermeiden und einem schnellen Gefrierprozess. Dabei können sich die Säurespitzen leicht verändern, was jedoch durch eine Anpassung des Rezepts ausgeglichen werden kann. Trotzdem schwört Eric auf frisch gepressten Saft.
In Bezug auf Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit warnt Eric davor, oberflächliche oder scheinbare Nachhaltigkeitsbemühungen als "grün" zu betrachten. Er betont die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Herangehensweise an Umweltaspekte und fordert dazu auf, einen Blick auf das große Ganze zu werfen. Viele Bars behaupten zwar, das "no-waste" Prinzip umzusetzen und alles bis ins kleinste Detail zu verwerten, nutzen aber gleichzeitig Eismaschinen mit einem enormen CO2- Fußabdruck und einem hohen Wasserverbrauch für die Herstellung von Eiswürfeln. Eric veranschaulicht dieses Dilemma am Beispiel von Gin: Obwohl er gerne heimischen Wacholder aus dem Schwabenland verwenden würde, entscheidet er sich aufgrund minderwertiger Qualität für Beeren aus Kroatien, um ein besseres Endprodukt zu gewährleisten. Mit seiner Erfahrung und Expertise unterstreicht Eric die Bedeutung einer ausgewogenen Abwägung zwischen Geschmack, Qualität und Umweltauswirkungen bei der Auswahl von Zitrusprodukten für Cocktails. Sein Appell, dass umweltbewusstes Handeln über oberflächliche Gesten hinausgeht, hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck und lädt dazu ein, die Umweltbilanz jeder Barpraxis kritisch zu reflektieren. Persönlich empfehle ich ein Blind Tasting. Auf diese Weise könnt ihr unvoreingenommen an die einzelnen Versionen herantreten und findet heraus, welches Produkt oder welche Version eines Drinks für euer Konzept am besten funktioniert und entsprechend umsetzbar ist. Ich verwende kristalline Säuren gerne in vorgebatchten Drinks. Hier stehen die Vorteile der Haltbarkeit und des konstant gleichbleibenden Geschmacks ganz klar im Vordergrund. Ein nicht zu verachtender Nebeneffekt kann auch ein klarer Drink sein.
Neben sauren Säften - wer einige meiner Kreationen kennt, weiß, dass ich ein riesiger Fan von Cranberry-Muttersaft bin - Essigen oder natürlich auch Verjus bleibe ich bei klassischen Drinks gerne bei gepressten Zitrussäften. Die Haltbarkeit erziele ich mit einer dreifachen Filterung der Pulpe, der richtigen Art des Pressens, um Bitterstoffe zu vermeiden und einem schnellen Gefrierprozess. Zwar verändern sich hier leicht die Säurespitzen, dies lässt sich allerdings durch eine Anpassung des Rezepts ausgleichen. An frisch gepressten Saft, und damit meine ich wirklich frisch gepressten Saft, lasse ich allerdings nichts kommen. Nicht vor 16 Jahren, als ich noch gegen Whiskey Sours mit Puderzucker und gekauftem Zitronensaft kämpfen musste und auch nicht in heutigen Zeiten von „Super Juice“. Es ist wichtig, einen realistischen Blick auf die Dinge zu behalten. Ja, es ist lobenswert, dass wir uns Gedanken über unseren Einfluss auf die Umwelt machen. Allerdings betrachte ich viele dieser Bemühungen entweder als zu oberflächlich oder als reines "Greenwashing". Es kommt häufig vor, dass Bars behaupten, sie würden das "no-waste" Prinzip bis ins kleinste Detail umsetzen und alles bis zum Letzten verwerten. Doch gleichzeitig betreiben sie Eismaschinen, die einen CO2-Fußabdruck haben, der seinesgleichen sucht, und bei der Produktion der Eiswürfel enorm viel Wasser verbrauchen. Nehmen wir Gin als Beispiel: Natürlich würde ich gerne heimischen Wacholder aus dem Schwabenland verwenden. Aber wenn die Qualität so schlecht ist, dass das Endprodukt minderwertig ist, bleibt mir am Ende nichts als ein schlechtes Produkt. In solchen Fällen lasse ich mir die Beeren lieber aus Kroatien liefern. Ich bleibe dabei: Wer wirklich umweltbewusst handeln möchte, sollte nicht nur auf offensichtliche Dinge wie Kaffeekapseln verzichten, sondern auch darauf achten, was dem Planeten wirklich schadet - nämlich zum Beispiel der Kaffee selbst. Und wer nun argumentiert, dass das doch besser sei als nichts zu machen, dem sei der Vergleich von Light-Filterzigaretten und Rothändle ins Gedächtnis gerufen.
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